Klaus Rohwer 

Warum schwingt eine Stimmzunge überhaupt?



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Es gibt eine einfache Erklärung, die aber nicht ganz richtig ist: Betrachten wir der Einfachheit halber nur die Blaszunge, bei der Ziehzunge ist alles sinngemäß genau so. Die Blaszungen sitzen auf der Innenseite der Mundharmonika. Man kann sich nun vorstellen, dass die Blaszunge durch den Blasdruck in den Stimmzungenschlitz gedrückt wird und anschließend durch ihre Federkraft wieder herauskommt. Der Wechsel dazwischen wäre dann die Schwingung. Dieses Bild ist aber falsch: Es würde sich ein Gleichgewicht einstellen zwischen Blasdruck und Federkraft, und die Stimmzunge würde im Schlitz stecken bleiben, bis der Blasdruck aufhört, es käme nicht zu einer Schwingung. Diesen Fall gibt es tatsächlich, wenn der Lösabstand zu klein eingestellt ist.

Schnitt durch eine Mundharmonika während verschiedener Phasen der Schwingung (schematisch; siehe auch meine "Kleine Mundharmonikakunde")

Luftstrom  Luftstrom
Hydrostatischer Druck  Hydrostatischer Druck
Hydrodynamischer Druck  Hydrodynamischer Druck
Eine korrektere Erklärung ist etwas komplizierter: zusätzlich zum Blasdruck, der ein sogenannter hydrostatischer Druck ist, gibt es auch noch einen hydrodynamischen Druck, der immer dann entsteht, wenn sich ein Fluid (in diesem Falle Luft) auf einer Seite eines Gegenstandes schneller bewegt als auf der anderen. Dieser Effekt, der nach dem Schweizer Physiker Daniel Bernoulli (1700 - 1782) benannt ist, wirkt in der Weise, dass auf der Seite, wo sich die Luft schneller bewegt, der Druck geringer ist. Dies ermöglicht unter anderem, dass Flugzeuge fliegen, denn sie werden gewissermaßen von dem Unterdruck, der auf der stärker gewölbten Oberseite ihrer Flügel herrscht, nach oben gezogen – vorausgesetzt, die Luft umströmt die Flügel schnell genug. Doch genau genommen ist auch diese Erklärung noch nicht ganz korrekt, die wirklich richtige Beschreibung benötigt aber viel Mathematik in Form der sogenannten Navier-Stokes-Gleichungen, die es zu lösen gilt.
Phase 0 Ähnliches geschieht bei der Blaszunge: auf ihrer Außenseite bewegt sich die eingeblasene Luft schneller, weil sie hier entweichen kann. Dadurch entsteht dort ein Sog, der die Stimmzunge in den Schlitz hinein zieht.
Phase 1 Das geht so lange, bis sich die Zunge ganz im Schlitz befindet und so den Luftstrom ziemlich plötzlich unterbricht. Dann hört dieser Druck auf zu wirken. Jetzt erst kommt die Federkraft zur Wirkung, die die Stimmzunge wieder in ihre Ausgangslage zurück zu drücken versucht.
Phase 2 Dann gibt die Stimmzunge den Schlitz wieder frei und es kann sich ein neuer Luftstrom ausbilden.
Phase 3 Dabei wird die Stimmzunge durch ihre Federkraft beschleunigt, und weil sie aufgrund ihrer Masse eine Trägheit besitzt, schwingt sie über ihre Ruhelage hinaus. Dadurch wird die Spaltbreite größer, als sie am Anfang war. Bei zunehmender Spaltbreite zwischen Stimmzungenspitze und Stimmplatte steigt auch wieder die Geschwindigkeit der Luft, es stellt sich ein entsprechender hydrodynamischer Druck ein, und das Spiel beginnt von vorne.
Phase 4 Das Gleiche gilt, wie gesagt, sinngemäß und mit teilweise umgekehrten Vorzeichen, für die Ziehzungen.
Phase 5 Weil neben der Elastizität der Stimmzunge, die die Federkraft bestimmt, auch die Massenträgheit der Stimmzunge eine Rolle spielt, spielt sich das Ganze bei oder zumindest in der Nähe der Eigenresonanzfrequenz der Stimmzunge ab.
Phase 6 Genaugenommen hat eine Stimmzunge mehrere Eigenresonanzfrequenzen, schwingt aber in der Regel bei "normalem" Gebrauch nur auf der niedrigsten. Weitere mögliche Eigenschwingungen kann man numerisch berechnen (siehe dazu auch meine Ergebnisse); sie spielen bei Nebengeräuschen (Quietschen, Klingeln) sowie vermutlich bei der Overbending-Technik eine Rolle.
Phase 7 Die Luftströmung um eine Stimmzunge samt Stimmplatte und Kanzelle ist auch schon numerisch simuliert worden (Link). Die Wechselwirkung der strömenden Luft mit der Stimmzunge (Fluid-Struktur-Wechselwirkung) wurde dabei aber anscheinend nicht mit einbezogen. Hier gäbe es also noch Simulationsbedarf.

Immer wieder werde ich darauf angesprochen, dass die Blaszungen in einer Mundharmonika anders herum sitzen, also mit dem "Stiefel" näher an der Einblasöffnung und der Spitze weiter davon entfernt. Das trifft aber in der Praxis nicht auf alle Mundharmonikas zu! In der Tat ist die Anordnung bei allen(?) Hohner-Mundharmonikas anders herum als auf meinen Zeichnungen, aber von anderen Herstellern (Seydel, Hering, Suzuki, Huang) gibt es durchaus Mundharmonikas, insbesondere chromatische, deren Stimmzungen so angeordnet sind wie auf meinen Skizzen.

Mundharmonika-Buch

Die Inhalte dieser Kleinen Mundharmonikaphysik finden sich auch - ausführlicher und aktualisiert - in meinem 2022 erschienenen Mundharmonikabuch.

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(c) 2005 Klaus Rohwer