Klaus Rohwer
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E-Mundharmonika selbstgebaut
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Wer sollte eine elektrische Mundharmonika bauen, wenn nicht ich? ;-) Denn ich
verstehe nicht nur etwas von Mundharmonikas, sondern auch von Elektronik. Das habe ich
mir schon 1999 gesagt und mir ein paar integrierte Reflexlichtschranken bestellt, die sonst als optische Abstandssenoren
eingesetzt werden. Damit habe ich das Prinzip ausprobiert: Solch eine Reflexlichtschranke liefert eine abstandsabhängige
Spannung, und wenn man sie über einer Stimmzunge montiert, müsste sie eigentlich ein Audiosignal liefern - und sie
tat es! Sogleich wollte ich versuchen, diese Erfindung patentieren zu lassen und habe mal den "Stand der Technik"
recherchiert. Dabei stellte sich heraus, dass jemand anders diese Idee auch gehabt hatte, und sie leider schneller als ich
hat patentieren lassen: "Turbodog" James Antaki in Pittsburgh, Pennsylvania (USA), der unter anderem die Firma
TurboHarp betreibt, hat auf seiner website die TurboHarp ELX präsentiert. Sie arbeitet, nach den
Abbildungen zu urteilen, genau so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Die Klangbeispiele waren seinerzeit allerdings noch
nicht besonders überzeugend. Antaki suchte Investoren und industrielle Partner. Nun ja, dachte ich mir, dann wird es ja
nicht mehr lange dauern, bis sie auf den Markt kommt, da brauche ich ja jetzt keine Arbeit mehr reinzustecken...
Aber die Turboharp/ELX kam bis 2007 nicht auf den Markt. Da habe ich dann doch mal weitergemacht. Was dabei heraus gekommen ist, möchte ich hier berichten. Um es gleich vorweg zu nehmen: ich habe eine funktionierende E-Mundharmonika gebaut, die den Vorteil hat, garantiert rückkopplungsfrei zu arbeiten. Das ist ein Thema, mit dem Mundharmonikaspieler, die ihr Instrument verstärken wollen oder müssen, immer wieder zu kämpfen haben: Mikrofone neigen nun einmal dazu, auch den Schall aus den Verstärkern mit aufzunehmen und zu verstärken, so dass es leicht zu unangenehmen Pfeifgeräuschen kommt. Dies kann man mit einer elektrischen Tonabnahme verhindern. Das war der leitende Gedanke bei der Kontruktion der E-Mundharmonika. Aber sie hat noch ein paar Nachteile, die nicht verschwiegen werden sollen.
Elektronik Die Fototransistoren in den Reflexkopplern sind im Gegensatz zu den LEDs in zwei Gruppen parallelgeschaltet -- aber wo ist ihr Arbeitswiderstand? Den bildet die jeweils andere Gruppe! Die Sensoren der oberen Platine arbeiten also sozusagen gegen die Sensoren der unteren Gruppe. Und das müssen sie auch, damit die Phase stimmt, sonst würde beim Bending der Ton leiser werden. Denn dabei schwingen die beiden jeweils beteiligten Stimmzungen in Phase, aber da sie ja gegenphasig abgetastet werden (die einen von oben, die anderen von unten), muss dieser Phasenunterschied schaltungstechnisch wieder ausgeglichen werden. Das funktioniert, weil die Fototransistoren auch im Ruhezustand (wenn kein Ton gespielt wird) Licht von den LEDs bekommen und deswegen immer ein Strom hindurchfließt. Nun ist es ja keineswegs gesichert, dass die Lichtverhältnisse oben und unten im Ruhezustand immer gleich sind. Daher ist es auch a priori nicht sicher, dass sich das Potential am Knotenpunkt der beiden Transistorgruppen, wo das Audio-Signal abgenommen wird, auf die halbe Betriebsspannung einstellt. Um dies dennoch sicher zu stellen, habe ich einen Integrator mit einem TL071-Operationsverstärker in das Netzteil eingebaut, der über einen 10-kOhm-Widerstand einen (positiven oder negativen) Strom am Knotenpunkt einspeist und dadurch das Potential im zeitlichen Mittel auf die halbe Betriebsspannung zieht. Ob dies unbedingt nötig gewesen wäre, darüber kann man streiten. Das Signal wird hier über einen 47-nF-Kondensator ausgekoppelt, der mit dem 2,2-kOhm-Widerstand am Ausgang einen Hochpass bildet. Das war hier nötig, weil ich die Lichtschranken nicht ganz so positionieren konnte, wie ich es gewünscht hätte. Durch das Rastermaß der Platinen war ich auf einen Abstand der Sensoren untereinander von 3/10" = 7,6 mm festgelegt, während die Stimmzungen einen Abstand von 7,5 mm untereinander haben (jedenfalls bei Hohner und bei Suzuki). Ich musste daher die Fluchtlinie der Sensoren etwas schräg zu den Stimmzungen anordnen. Auf der Ziehtonseite kam mir das entgegen, weil die Linie der Nieten sowieso schräg zur Stimmplattenlängskante verläuft, aber auf der Blastonseite musste ich in Kauf nehmen, dass die Sensoren auf der Tieftonseite weiter vom Stiefel weg auf die Stimmzunge "schauen" als auf der Hochtonseite. Optimal wäre es aber eigentlich, wenn der Abstand vom Stiefel der jeweiligen Stimmzunge zur Blickachse des zugehörigen Sensors etwa konstant ist oder bei den tiefen Tönen sogar noch etwas kleiner ist als bei den hohen. In diesem Punkt musste ich also einen Kompromiss eingehen, den ich durch den Tiefpass wieder auszugleichen versucht habe -- was anscheinend gar nicht so schlecht gelungen ist. Perfekt sollte es sich machen lassen, wenn man individuell hergestellte Platinen verwendet, und erste Versuche dazu sind auch bereits gelaufen. Der Netztrafo hat bei mir zwei Sekundärwicklungen mit je 7,5 V, so dass ich auch eine symmetrische Spannungsversorgung hätte aufbauen können, wenn es nötig gewesen wäre (der Platz auf der Platine hätte gereicht). Der Linearregler ist mit einem LM 317 aufgebaut, der für eine besonders brumm- und rauscharme Stromversorgung bürgt. Verbesserungsbedarf Es gibt noch eine weitere Quelle für Rauschen, die man aber wahrscheinlich ausschalten kann: wenn die Sensoren zu nah an den Enden der Blaszungen sitzen, schlagen sich Feuchtigkeitstropfen darauf nieder und führen zu einem Prasseln. Daher muss man bei der Konstruktion der Platinen darauf bedacht sein, die Sensoren nicht zu nah an der Stimmzungenspitze anzuordnen. Das kann allerdings bei sehr kurzen Stimmzungen, also bei den höchsten Tönen käuflicher Mundharmonikas, zu einem Problem werden. Würde ein Hersteller die Stimmzungen der hohen Töne länger und dafür dicker (also steifer) machen, so wäre diese Schwierigkeit in jedem Fall in den Griff zu bekommen. Mittlerweile (Stand 2013) ist die elektronische Mundharmonika TurboHarp ELX von Mr. Antaki auf dem Markt. Klang Entwicklungsmöglichkeiten Jetzt könnte die Frage aufkommen: warum einfach, wenn es auch umständlich geht? Kann man denn nicht mit magnetischen Tonabnehmern arbeiten, wie bei der Gitarre? Bis vor kurzem war die Antwort: nein. Denn zu der Zeit, als ich mir die optische Variante ausgedacht hatte, gab es keine Mundharmonikas mit magnetischen Stimmzungen. Aber inzwischen gibt es die! Die Firma Seydel in Klingenthal hat ja Mundharmonikas mit Stahlstimmzungen herausgebracht, und diese sind tatsächlich magnetisch, was bei Edelstahl keineswegs selbstverständlich ist. Erste Versuche zur magnetischen Tonabnahme bei Mundharmonikas hat es auch schon gegeben, und sie haben funktioniert. Allerdings hat auch diese Technik ihre Tücken, doch das ist ein anderes Thema. Außerdem hat Mr. Antaki auch dieses Prinzip -- wie noch zahlreiche andere Prinzipien -- in den USA patentiert. Eine rein elektronische "Mundharmonika", ohne Stimmzungen, ist die DM48 Digital Harmonica von Lekholm Instruments aus Göteborg (Schweden). Es handelt sich um ein reines MIDI-Controller-Instrument mit zwölf Drucksensoren, das über ein USB-Kabel an einen Hardware-MIDI-Synthesizer oder einen Computer mit Software-Synthesizer angeschlossen wird. Die Spielweise ist genau die gleiche wie auf einer chromatischen Mundharmonika mit drei Oktaven, nur dass dem Spieler jetzt sämtliche Klänge seines Synthesizers zur Verfügung stehen. Bending ist eigentlich nicht möglich, nicht einmal das eingeschränkte Bending einer chromatischen Mundharmonika, kann aber durch eine Druckabhängigkeit der Tonhöhe bei hohen (positiven oder negativen) Spieldrücken simuliert werden. Die Firma weist auf ihrer website allerdings ausdrücklich darauf hin, dass der Klang einer konventionellen Mundharmonika nur unvollkommen nachgebildet werden kann. 2022 ist ein Modell namens DM48X erschienen, das kabellos gespielt werden kann. Inzwischen nur noch von historischem Interesse ist der Millioniser 2000, ebenfalls eine elektronische Mundharmonika, die aber zunächst nicht MIDI-kompatibel war, sondern einen eigenen Synthesizer benötigte. Später gab es auch eine MIDI-kompatible Version. Er hat sich aus verschiedenen -- auch technischen -- Gründen am Markt nicht behauptet.
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